Von der Idee bis zum Halsband

So ein Gedanke kann bisweilen ein echtes Arschloch sein. Hat er sich erst einmal bei dir eingenistet, bohrt er solange, bis es einem keine Ruhe mehr lässt. Bei mir war es folgender: „Das Halsband ist mir zu unpersönlich.“

Bei einem bestimmt sehr wichtigen Meeting in der Arbeit ließ ich meinen Gedanken dann mal freien Lauf. Um mich herum wurde diskutiert und es wurden Entscheidungen getroffen, ich bin ganz ehrlich, ich habe keine Ahnung mehr, worum es ging. Mein Kopf war mit einem ganz anderen Problem beschäftigt: Wie mache ich dieses Halsband zu einer noch persönlicheren Geschichte für uns? Sicher, sie hat es von mir geschenkt bekommen. Symbolik, Machtübernahme, Unterwerfung und das ganze D/S-Zeug. Alles schön und gut, aber das reichte mir nicht.

Der erste Entwurf.
Der erste Entwurf.

Wenn man sich auf dem Markt so umsieht, dann stellt man schnell fest, dass es verdammt viel Auswahl gibt. Es gibt für so ziemlich alles das richtige Halsband in den unterschiedlichsten Preisklassen, die mal wertiger und mal weniger wertig sind. Die Sache war nur die, egal für welches ich mich für sie entscheiden würde, es wäre immer noch nur eins aus einer Serie, mit dem am Ende doch jeder rumlaufen könnte. Sie war aber nun mal nicht jede, sondern meine, und dieses Halsband sollte das verdammt nochmal unterstreichen. Irgendwann bin ich dann auf die Idee gekommen, warum denn keine Maßanfertigung? Also habe ich wieder ein wenig geguckt, aber in den einschlägigen Shops bekommt man sowas nicht und ein Profi lässt sich seine Arbeit gerne (und völlig zurecht) gut bezahlen. Nachdem ich dann mal das ein oder andere Angebot verglichen habe kam die Frage, die meinem Portmonnaie schon oft zum Verhängnis geworden ist: „Wie schwer kann das schon sein?“ Kleiner Spoiler an der Stelle: Es wurde nicht unbedingt schwer, aber sehr teuer.

Was ist ein Rhombus?!

Ich fing also an mich schlau zu machen, was ich eigentlich alles brauche, um Leder halbwegs gut zu bearbeiten. Wenig überraschend, aber der Vollständigkeit halber schreibe ich es mal dazu: Leder. Für das, was ich mir ausgedacht hatte, musste ich sogar verschiedene Arten verarbeiten.

Was man außerdem braucht sind Nadeln für besagtes Leder, die zeichnen sich dadurch aus, dass sie stumpf sind und etwas dicker im Durchmesser als normale Nadeln. Außerdem noch eine Ale und gewachstes Garn. Hat man das alles, könnte es theoretisch losgehen. Theoretisch… Ich habe mich letztendlich für ein Set entschieden, bei dem noch viele andere nützliche Dinge dabei sind, wie zum Beispiel ein Nahtversenker, Gummihammer, Rhombus-Set und und und. Da war es ja wieder, dieses Wort: Rhombus. Das folgende Bild wird den Sinn und Zweck eines Rhombus wohl am besten erklären. Auch auf die Gefahr hin, etwas vorzugreifen.

Der Rhombus im Einsatz nach dem Kleben! Er dient zum Vorstechen der Löcher, durch die später die Nadel und das Garn gezogen werden.

Verschlusssache

Da das Halsband „einzigartig“ werden sollte, war das eine Frage, die dringend einer Antwort bedurfte. Ich entschied mich für ein Schloss. Das Halsband sollte nur einen Bolzen haben, durch den ein kleines Schloss passte, und hinten noch ein D-Ring, damit man im Zweifel auch mal Gassi gehen konnte, ohne schon wieder eine andere Lösung suchen zu müssen.

Bolzen und Schloss
Bolzen nach Anpassung im Baumarkt und Schloss.

Leute, einen Bolzen zu finden, der so klein ist, dass er für das Halsband geeignet ist, hat mich eine Woche gekostet und dann war ich auch nur nah dran. Das Schloss war ein ganz anderes Problem, wie sich herausstellte. Wenn das Schloss was taugen sollte, dann hatte ich keine andere Wahl, als eines zu nehmen, das ca. 3 mm für das Verschlussmaterial vorsah – der Bolzen den ich aber gefunden und bestellt habe, konnte nur einen Lochdurchmesser von 2,irgendwas vorweisen. Ich also zum Baumarkt und in die Abteilung für die Eisenwaren. Hier gab es sehr viele Schlösser, nur leider keins zum testen. Nachdem ich also hin und her überlegt habe, bin ich zu einem der Mitarbeiter gegangen. Ich erklärte ihm mein Problem und er war nicht nur so nett und hat das Schloss für mich aus der Verpackung geholt, nein, er hat mir sogar angeboten, das Loch im Durchmesser anzupassen! Ein 6er im Lotto sozusagen. Ich nahm dankend an und es passte wie die Faust auf’s Auge.

Ein Nähpferd für alle Fälle

Nun hatte ich also alles was ich brauchte und auch ein paar Dinge, die ich nicht brauchte. Endlich konnte es losgehen! STOP! Ermal schauen, wie man Leder eigentlich näht, Stichwort: Sattlernaht. Ein paar Tutorials später war mir nicht nur klar, dass das deutlich mehr Arbeit wird als ich dachte, sondern auch, dass ich ein „Nähpferd“ brauche (dass es deutlich mehr kostete, als ich angenommen hatte, war mir bereits klar, als ich die Bestellung bei Amazon abgeschickt hatte -.-).

Wozu hat man Freunde, die ein wenig was von Handwerk und selber machen verstanden, dachte ich mir und fragte mal nach. Die Antworten waren ernüchternd und waren zumeist mit der Frage gekoppelt, warum ich jetzt reiten wolle. Gut, hier war also keine Hilfe zu erwarten. Kaufen war mittlerweile auch nicht mehr so einfach drin, also musste ich es selbst bauen. Die Konstruktion ist an und für sich auch nicht besonders schwierig, Arbeit macht es aber trotzdem. Im Grunde ist das gute Stück übrigens dazu da, dass man die Lederstücke beim Nähen darin einspannt, um beide Hände benutzen zu können.

Jetzt konnte ich endlich richtig anfangen, da war nur noch eine Kleinigkeit, für die ich keine Lösung finden konnte: Wie lang sollte das Halsband werden? Sicher, so ungefähr konnte ich mir das schon denken (im Zweifel immer zwei Handbreiten), aber das hier sollte nicht nur irgendwie, sondern perfekt passen. Jetzt stellte sich die Frage: Schon mal anfangen und es fertig machen, wenn sie das nächste Mal da ist, oder es ganz auf gut Glück probieren? Es ist ja auch ziemlich schwierig, so eine Frage ins Gespräch mit einfließen zu lassen, ohne dass sie davon Wind bekommt. Mir blieb keine Wahl: Wenn das was Anständiges werden sollte, dann musste ich mich von der Idee, dass es eine Überraschung werden würde, verabschieden. Ich weihte sie also ein und sie erklärte mich mehrfach! für komplett verrückt.

Verklebt und zugenäht

Nachdem wir also meinen Geisteszustand geklärt hatten, musste sie sich im Grunde nur noch für das gewünschte Leder entscheiden und ich konnte anfangen, meine Idee umzusetzen. Was konnte schon schief gehen? Nach dem ganzen Stress war ich mir sicher, das Schlimmste war überstanden.

Erster Klebeversuch: Kanten umschlagen!

Ich nahm mir also das Leder vor und mir wurde schlagartig bewusst… Du hast das jetzt zwar alles ganz nett geplant und eingekauft, aber eine Kleinigkeit fehlt dir noch: Praxis!

Da stand ich also, wie vor dem ersten mal Sex. Das Werkzeug ist da und Lernmaterial hast du auch mehr als genug geguckt, aber trotzdem eigentlich keine Ahnung wie es geht.

Mit dem Zuschnitt gab es keine Probleme. Ich musste zwar ein Lineal für die entsprechende Länge improvisieren, aber eine Latte aus dem Baumarkt für 2,50 Euro hat mir hier sehr gute Dienste geleistet. Um keine unangenehmen Kanten auf der Haut zu spüren und den Tragekomfort zu erhöhen, klappe ich die Außenseiten nach innen um. Der Lederkleber (Kövulfix) war einfach in der Handhabung. Auftragen, abwarten und zusammenkleben. Ein paar abschließende Schläge mit dem Gummihammer und die Verbindung ist fast nicht mehr zu lösen. Meine Perle stand mir dabei natürlich mit ihrem wunderschönen Hals immer Modell, damit ich das alles nicht doch noch auf die letzten Meter versaue. Nachdem alle Lederstücke miteinander verbunden waren, fing die Arbeit eigentlich erst an.

Wer messen kann ist klar im Vorteil

Bei all meinen Überlegungen hatte ich vergessen, dass mein Werkstück natürlich auch dicker geworden war, das wurde zum Problem, als ich anfangen wollte, die Ösen einzuschlagen.

Durch die eine Seite war es kein Problem, weil ich da nur durch ein dünnes Stück durch musste, am Anderen Ende des Halsbandes musste ich aber einmal komplett durch alle Schichten und das wurde zu einer echten Herausforderung. Auch wenn man verschiedene Ösen nutzen kann, sind sie doch alle genormt und das heißt: Eine Öse zu finden, die länger ist als 6 mm ist quasi ein Ding der Unmöglichkeit. Es musste also eine andere Lösung her. Die Öse musste da durch, ich hatte auf der anderen Seite schließlich schon angefangen und konnte die da auch nicht mehr rausnehmen. Wir erinnern uns:

„Ein paar abschließende Schläge mit dem Gummihammer und die Verbindung ist fast nicht mehr zu lösen.“

Herr Shibari, vor wenigen Zeilen.

Nun gut, ich habe das alles bisher noch nicht gemacht, kommt also das nächste, was ich nie vorher gemacht habe: Leder ausdünnen. Ich schnitt also Millimeter für Millimeter das Leder weg, um die Stelle, an der die Öse reinsollte, so schmal wie möglich zu machen. Es dauerte eine Stunde, bis das Leder dünn genug war und ich mir einen Versuch zutraute.

Ich hatte nämlich nur einen. Wäre das schief gegangen, hätte ich die Öse bestenfalls noch ausbohren können und dabei wäre das Loch sicher nicht bei 6 mm geblieben. Dank meiner sehr vorsichtigen und auch sehr lahmarschigen Arbeitsweise hat es aber glücklicherweise funktioniert.

Die Sattlernaht

Die ersten Zentimeter sind gemacht und das Nähpferd hat sich sofort bewährt.

Jetzt musste ich nur noch nähen und weil ich wollte, dass dieses Halsband auch eine Weile hält, habe ich mich für die Sattlernaht entschieden. Bei dieser Vernähmethode verknotet man die beiden Garne im Loch miteinander. Sollte also irgendwo auf dem Weg die Naht beschädigt werden, kann sie sich genau bis zum letzten Loch öffnen. Sie ist übrigens eine der wenigen Dinge, die immer noch nur von Menschen gemacht werden kann. Keine Maschine bekommt das hin. Sie macht allerdings auch eine Menge Arbeit und ich habe den höchsten Respekt vor Leuten, die mehr als ein Halsband mit dieser Technik vernähen. Jeder Fehler rächt sich, weil man ihn im Grunde sofort sieht, auch wenn die Naht trotz allem genauso so stabil ist wie ohne Fehler. Es hat einen ganzen Abend und den nächsten Vormittag gedauert, bis ich endlich fertig war und ihr das Halsband anlegen konnte. Ein Einzelstück und genau auf sie angepasst.

Fazit

Ja, es hat mehr Geld gekostet als ich dachte und ja, es war auch deutlich anstrengender als ich dachte. Ob ich es deswegen bereue? Kein Stück. Ich habe wieder etwas gelernt und ein neues Hobby für mich entdeckt, das sicher noch ein paar Früchte tragen wird. Wer weiß, vielleicht wird das nächste Stück ja etwas alltagstauglicher 😉