Vielleicht ist es das persönlichste Thema, über das ich schreiben werde. Es ist meine Antwort auf die Frage nach dem “Warum”. Bitte hab Verständnis dafür, dass ich hier keine Namen nenne, weder von Personen, noch von Lokalitäten.
Wieso BDSM, wenn man doch auch soviel “normalen” Sex haben kann? Wozu der ganze Stress? Stimmt was nicht mit mir, bin ich gestört? Scheiß Kindheit gehabt? War der Onkel besonders “nett” zu mir? Ist Pornografie schon soweit in der Gesellschaft angekommen, dass ich keinen mehr hochbekomme, wenn nicht wenigstens ein ehrlicher Schmerzensschrei dabei ist?
Fragen, die ich mir vor allem am Anfang gestellt, aber immer wieder beiseite geschoben habe. Warum sich eventuell unbequemen Wahrheiten stellen? Mein erster Blogbeitrag beschäftigte sich mit dem Thema: Die Frage nach dem Warum. Darum soll es hier aber nicht gehen. Ich möchte vor allem für mich ehrlich und transparent definieren, wieso ich diesen Weg gehe – und geschrieben geht das nun mal am besten.
Am besten beginnt man wohl am Anfang: Abgesehen von dem “normalen” Schulstress, habe ich keine Probleme mit meinen Mitschülern gehabt. Kein übermäßiges Mobbing, ich war nie der Klassenclown, oder besonders beliebt. Ich hatte Freunde, aber zu meinen Geburtstagen scharten sich auch nicht hunderte Menschen um mich, die alle meine Existenz gefeiert hätten. Ich war nicht einsam, eher der aufgeschlossene Typ, wenn man sich die Mühe gemacht hat, mich kennenzulernen. Hab mich nie den Leuten an den Hals geworfen, um dazuzugehören. Noten: mäßig, wie man eben so durch diese Zeit kommt. Keine Tiere gequält. Musik, Freunde, raus gehen. Das Übliche eben. Hier würde ich also noch keinen gelegten Grundstein sehen für mein Interesse an BDSM. Ausbildung, erste Jobs, bis hierhin ist im Grunde alles recht normal verlaufen, zumindest fand hier nichts statt, das ich für erwähnenswert genug halte.
Mit BDSM bin ich durch eine meiner ersten richtigen Beziehungen in Berührung gekommen. Ich wusste bereits, dass sie dieses Thema schon ein paar Jahre verfolgt und daher natürlich wesentlich mehr Erfahrung hatte. Sie war devot (zumindest im Spiel), hatte schon einige Klubs besucht, Menschen kennengelernt und Doms gehabt. Mit meinem steigenden Interesse an ihr wuchs natürlich auch das Interesse an diesem “BDSM”. Anfangs noch mit Unverständnis behafteten Kommentaren, musste ich jedoch zugeben, dass es da den ein oder anderen Bereich gab, der mich sehr erregte. Ich ging dann irgendwann mal mit in einen Klub. Schon als sie anfing, sich dafür fertig zu machen, wurde mir mulmig zumute. Wie sollte ich in diese Welt passen? Da schien ein Dresscode zu herrschen, dem mein Kleiderschrank nicht Stand halten konnte. Sicher, ich hab auch ein paar bessere Klamotten, die ich mein Eigen nannte, aber neben ihr sah ich einfach aus… Lassen wir das. Sie war definitiv eher der Hingucker. Als wir in der Location angekommen sind, kam ich mir noch deplatzierter vor. Alle waren in Lack und Leder gekleidet und kein “normaler” Typ da. Na ja, einer war leider schon da…
Mir war es damals noch nicht klar, aber dieser Abend würde prägend für mein Verständnis von BDSM und vor allem Aftercare sein. Ich habe mit ihr in dieser Nacht nicht gespielt. Sie hatte mich zwar mitgenommen, und auch wenn wir zu diesem Zeitpunkt bereits miteinander geschlafen hatten, war ich nicht ihr Partner. Selbst wenn sie es mir damals angeboten hätte; zwischen all den erfahrenen Leute kam ich mir vor wie ein Idiot, der keine Ahnung von der Materie hatte. Das stimmt natürlich auch, mit einem kleinen Unterschied: Wenn ich es bisher gewohnt war, dass einen die Stammkunden schief anguckten, wenn man irgendwo das erste Mal war, hatten die Gäste mich hier sehr herzlich aufgenommen. Ich saß an der Bar, unterhielt mich mit den Leuten und stellte Fragen. Ich glaube, meine Neugierde war ihnen sehr angenehm, zumindest beantworteten sie mir jede Frage mit sehr viel Geduld. Ich war noch erheblich jünger und hatte die 20 kaum überschritten. Sie verzog sich irgendwann zum spielen. Der Laden war nicht besonders groß, weswegen meine “Freundin” und das Pärchen, mit dem sie spielte, gut sehen konnte. Ich werde mich jetzt nicht in Details verlieren, nur soviel, alleine das Zusehen hat meine Ansicht komplett geändert. Es war beeindruckend, wie die Beiden mit ihr umgegangen sind. Sie war durch und durch dominant, und er war Switcher. Beide tasteten sich Stück für Stück an meine Freundin heran. Es kamen Schläge und andere Gemeinheiten zum Einsatz. Seinen Höhepunkt fand die Session in einigen Nadeln, die ihren Weg in verschiedene Stellen ihres Körper gefunden hatten. Es wirkte zu keinem Zeitpunkt so, als wüssten die Beiden nicht, was sie taten. Ich war fasziniert von der Hingabe die alle in diese Situation mit einbrachten. Das war eine ganz neue Art von Sinnlichkeit die mir da präsentiert wurde. Mir wurde hier etwas so persönliches und intimes gezeigt und nur vom zusehen wurde mir klar, das wollte ich auch. Ich wollte auch einem Menschen auf diese Weise Lust bereiten können, die weit von einem einfachen Orgasmus entfernt war.
Nachdem das Pärchen mit ihr fertig war, saßen die Drei noch lange miteinander da und verarbeiteten die gerade entstandenen Eindrücke. Ich brachte meiner Freundin ein Glas Wasser. Sie war noch sehr aufgewühlt und zitterte sogar etwas. Wie die beiden mit ihr umgegangen sind, sie wieder zurückgeholt haben und danach scherzten. Von da an war für mich klar, wie der Umgang miteinander nach einer Session zu sein hatte. Je mehr Erfahrungen ich über die Jahre gesammelt hatte, desto mehr festigte sich diese Vorstellung, und auch die Menschen, die ich kennen lernte, bestätigten mich darin. Ich glaube nicht, dass sich dieses Pärchen noch an mich oder sie erinnert, aber wenn, dann möchte ich mich an dieser Stelle nochmal bei euch bedanken.
Sie und ich kamen nach diesem Abend recht schnell zusammen und spielten auch miteinander. Im Nachhinein betrachtet lief es nicht besonders. Mir fehlte ganz einfach die Erfahrung und sie war deutlich ältere und erfahrene Doms gewohnt. Sie erwartete Dinge, ohne sie zu kommunizieren und ich hatte wohl offensichtlich die Zeichen nicht gelesen, die sie mir gegeben hatte. Es ist sehr frustrierend, wenn du das Gefühl hast, einem Menschen nicht zu genügen und das, obwohl du dir damit die größte Mühe gibst. Ich will nicht lügen, es tat verdammt weh, und die Tatsache, dass sie einfach nicht den Mut hatte, zu mir ehrlich zu sein, kann ich ihr fast nicht vorwerfen. Es gibt nun mal schwere Themen und auch wenn es schön gewesen wäre, der Wunsch allein erfüllt selbigen ganz einfach nicht. Nun ja, Menschen kommen und gehen. Die Erfahrungen bleiben.
Das Ende dieser Beziehung warf mich ziemlich aus der Bahn. Ich begann alles und vor allem mich zu hinterfragen. Ich wollte wissen, woher die Lust, die ich beim Spielen empfand, eigentlich kam. Ich schaute mir Pornos nicht mehr nur zur reinen Befriedigung an, sondern versuchte festzustellen, was mich daran erregte. Meine Festplatte war voll mit Büchern zum Thema BDSM. Ich suchte Kontakt zur Szene und unterhielt mich mit Leuten im Internet und auf verschiedenen Partys. Es ging mir wirklich nur um den Gewinn von Informationen und das Verständnis meiner selbst, gespielt habe ich zu dieser Zeit nur selten. Mir erschien es einfach zu unsicher, solange ich nicht wusste, was mich bewegt. Je länger die Recherche zu meiner eigenen Person ging, desto häufiger stieß ich auf den Punkt des Sadismus und darauf, dass scheinbar fast jeder, der sich als dominant verstand, auch häufig Sadist war. Ich verstand mich allerdings nie als Sadist.
Um das mal klarzustellen: Ich habe kein Problem damit, anderen Menschen Schmerzen zuzufügen, das heißt aber nicht, das mir gleich einer ab geht. Mir gefällt der kreative Aspekt am Spiel und meine Partnerin immer wieder zu überraschen. Was mich anmacht, ist die Erregung, die sie durch den Schmerz spürt. Wenn ich schon fast fühlen kann, wie das Kneifen in ihre Nippel sie “geil” macht. Zu merken, dass es sie anmacht, macht mich an. Es ist dieselbe Erregung, die ich spüre, wenn ich es ihr leidenschaftlich mit der Zunge besorge. Den Umstand, dass Schmerz dabei sein muss, den habe ich nicht.
Wieso ich mir so sicher bin? Ganz einfach: Ich brauche es auch nicht als Masturbationshilfe, oder ähnliches. Ich hatte auch schon längere Zeit keine Spielpartnerin und habe auch keine gesucht, weil ich es einfach nicht brauche, es ist wie die Kirsche auf dem Berg Sahne. Wirklich schön, wenn sie da ist, aber der Kuchen schmeckt auch ohne ganz gut.
Mit der Zeit kamen Menschen und sind gegangen. Ich habe viel über mich selbst gelernt, aber so arrogant zu sagen: Ich wäre jetzt am Ende des Weges, bin ich nicht. Ich freue mich nach wie vor immer auf neue Eindrücke. Die Szene entwickelt und erfindet sich immer wieder neu.
Das war nun also meine kleine Geschichte über den Anfang meines Interesses an BDSM. Ich weiß, ist nicht besonders spannend und vielleicht denkt ja der ein oder andere: “Der Typ hat einfach BDSM nicht verstanden.”, schon möglich. Man sollte allerdings nicht vergessen: Jeder geht diesen Weg anders und deiner ist nicht der richtige, sondern nur ein weiterer Pfad, den ich genauso wenig verurteile, wie jeden anderen, der auf Respekt und Fürsorge aufgebaut ist. Danke für’s lesen.