Das Spiel in und mit der Öffentlichkeit ist für viele ein fester Bestandteil des kleinen „Hobbys“, das wir BDSM nennen. Wenn man BDSM als einen Teil seines Lebens akzeptiert, dann kann es sein, dass man es auch zu einem kleinen oder großen Teil in die Öffentlichkeit trägt. Dies kann auf vielen Wegen passieren, zum Beispiel durch besonderen Schmuck, das muss nicht gleich das Halsband sein. Es gibt verschiedenste Wege, um seiner Zugehörigkeit zum BDSM Ausdruck zu verleihen. Eine bestimmte Art von Ring oder Kette, aber wem erzähle ich das? Wir haben so viele Zeichen und Symbole, da ist wirklich für jeden was dabei. Eine andere Möglichkeit sind Tätowierungen, sie gehören für mich auch zum Schmuck, aber die Tatsache, dass ich sie nicht ablegen kann, lässt sie mich nochmal gesondert betrachten.
Kommunikation ist ebenfalls ein Stichwort. Wer sich traut oder ein Umfeld hat, das ihm/ihr die nötige Sicherheit gibt, kann sich natürlich auch in Gesprächen zu seinen Neigungen bekennen. Ein etwas anderer, aber nicht weniger öffentlicher Weg ist der Blog. Er hat den großen Vorteil, sich frei äußern zu können, ohne dabei auf die eigene Anonymität verzichten zu müssen, die für viele von uns sehr wichtig ist, weil das allgemeine Verständnis für Sexualität leider immer noch zu großen Problemen im Berufs- sowie im Privatleben führen kann.
Was ist öffentlich und wo fängt Öffentlichkeit an?
Greift man sich ein Wörterbuch, so findet man vielleicht folgenden Eintrag unter dem Begriff „Öffentlichkeit“: Als Gesamtheit gesehener Bereich von Menschen, in dem etwas allgemein bekannt [geworden] und allen zugänglich ist. Soviel mal zur Definition, aber behält sie auch immer ihre Gültigkeit? Um mal ein allgemein bekanntes Beispiel anzuführen: Wie öffentlich ist denn das Fehlen eines Höschens oder das Tragen eines Käfigs auf offener Straße? Um dich geil zu machen reicht es vielleicht schon, wenn die „Öffentlichkeit“ aus zwei Personen besteht. Wenn wir es ganz genau nehmen, kann die Öffentlichkeit sogar nur aus dir selbst bestehen. Beispielsweise kann die eine Person, die weiß, dass sie kein Höschen trägt, unter 30 Leuten an einer Kreuzung schon ihre eigene private Öffentlichkeit bilden. Ein witziger Gedanke.
Der Reiz von Aufgaben in der Öffentlichkeit
„Hat sie es bemerkt?“, „Laufe ich komisch?“, „Wie lange halte ich das wohl noch aus?“ Einige Fragen, die man sich stellt, wenn man gerade eine Aufgabe für seine/n Herrn/in ausführt. Die Vielfältigkeit, die sich uns in der Öffentlichkeit bietet, ist immens. Es beginnt mit Kleinigkeiten wie: Keine Unterwäsche, einen Plug, Halsband oder ein anderes Spielzeug tragen. Vielleicht ja auch knien oder an einem Gegenstand lecken, an der Leine geführt werden? Man kann soviel Unanständiges da draußen anstellen. Ich liebe es.
Die Frage nachdem „Warum?“ hier zu stellen, würde den Rahmen sprengen. Ganz allgemein betrachtet ist es der selbe Grund, aus dem wir alles andere im BDSM auch tun: Es macht uns irgendwie an, es löst etwas in uns aus. Das dann auch noch eine breiteren Maße zu eröffnen und sei es auch nur im Geheimen, ohne dass andere es bemerken, das gibt vielen das ganz besondere Extra. Die Erregung, bei dem Gedanken erwischt zu werden. Dass einen alle sehen können. Ein falscher Luftzug an genau der richtigen Stelle. Das ist es, was für mich den Reiz hinter dem Spiel in der Öffentlichkeit ausmacht.
Darin, dass man öffentlich ist, wenn man seine Wohnung verlässt, sind wir uns, glaube ich, alle einig, oder? Doch was ist mit dem Gegenteil?
Die Öffentlichkeit der eigenen vier Wände
Man neigt immer dazu, hier gleich das Internet mit ins Boot zu holen, sobald es um die eigenen vier Wände geht. Ich gebe zu, in der ersten Fassung dieses Textes bin ich ebenfalls da hineingerutscht, aber die eigene Burg hat mehr zu bieten und zum Internet kommen wir noch früh genug.
Also Öffentlichkeit zu Hause, ohne Internet. Für dieses Thema müssen wir unsere Öffentlichkeit logischerweise etwas schrumpfen lassen, aber mir fällt da vor allem „Dekoration“ ein. Die Anführungszeichen sind hier ganz absichtlich gesetzt, den ein Rohrstock oder eine Peitsche können natürlich sehr dekorativ sein, aber sie behalten natürlich trotzdem weiter ihren Nutzen. Für einige Menschen – zu denen ich mich leider nicht zählen kann – ist BDSM nichts, was sie verstecken müssen. Sie haben sich vor Freunden und vielleicht sogar vor der eigenen Familie geoutet. Ob das die Kollegen ebenfalls betrifft, steht natürlich auf einem anderen Blatt, aber man ist trotzdem deutlich freier in der Gestaltung seiner vier Wände.
Aktbilder, Spielzeug, oder der Klassiker: das Andreaskreuz als Kleiderständer -die Möglichkeiten, sich zu entfalten, sind sehr groß, wenn man es geschafft hat, seine Neigung vor Anderen aus sich raus zu lassen. Sicher lässt sich darüber streiten, wie öffentlich das letztendlich ist, aber für viele, die ich kenne, wäre das schon ziemlich heftig. Genau genommen ist da niemand in meinem Bekanntenkreis, der bei sich zuhause einfach so eine Reitgerte auf der Kommode liegen hat. Es gibt Menschen, denen ist das eigene Wohnzimmer schon zu öffentlich.
Unbeteiligte Dritte
Wenn es um das Thema Öffentlichkeit angeht, dann kommt man natürlich an Unbeteiligten nicht vorbei. Immerhin machen sie die Öffentlichkeit, die wir wollen, ja erst aus. Unbeteiligte können Menschen sein, die von nichts wissen und trotzdem Teil des Spiels sind, wie zum Beispiel das Pärchen am Tisch nebenan, das seinen Kaffee trinkt, während deine Spielgefährtin dir gegenüber mit aller Mühe versucht, ihre Bestellung aufzugeben, während der Lush gerade die nächste Stufe erreicht. Vielleicht bekommst du auch gerade im Bus via WhatsApp den Befehl dich deines Slips zu entledigen, ohne dass es die anderen Fahrgäste mitbekommen.
Es kann sich dabei auch um Leute handeln, die etwas verdutzt dabei zu schauen, wie ein Kerl in einem Pferdekostüm seine Herrin in einem Wagen durch den Park zieht. Die haben dann sehr wahrscheinlich keine genaue Ahnung, was da abläuft, sind aber definitiv auch Teil des Spiels. Wenn wir in der Öffentlichkeit spielen wollen, dann brauchen wir diese Leute, wo wäre denn sonst der Spaß. Sie sind es, die uns die Schamröte ins Gesicht treiben und dafür sorgen, dass wir den Kick erleben, der elementarer Bestandteil dieser Art zu spielen ist.
Ein schwierigeres Thema, zumindest für mich, sind die, die ihre Sehnsüchte auch in der eigenen, unmittelbaren Familie ausleben. Wenn sich Mami Schleifchen ins Haar macht, sich von ihrem Partner wie eine Sechsjährige behandeln lässt und sich das Malbuch der Tochter (oder ihr eigenes) nimmt, damit sie die Geborgenheit eines Kindes wieder erleben darf, dann ist das nichts, womit man ein Problem haben sollte. Es ist eine Sache zwischen ihr und ihrem Herrn. Eine andere Geschichte wird allerdings daraus, wenn man es vor den eigenen Kindern auslebt. Auch, wenn es einem nicht immer passt, aber als Eltern muss man eine gewisse Rolle seinen Kindern gegenüber annehmen. Sie verlangt einem alles, aber auch wirklich alles ab. Sie ist oft nicht fair und ich möchte mitnichten behaupten, dass man sich keine Schwächen erlauben darf. Eltern sind auch nur Menschen und sie haben das gleiche Recht wie alle anderen auch, zu weinen und nicht mehr weiter zu wissen. Es macht aber nun mal einen Unterschied, ob man beispielsweise vor seinen Kindern in Tränen ausbricht oder sich dazu entschließt, seinen Kink auszuleben.
Du kannst deinem Kind natürlich erklären, dass du sehr traurig bist. Wenn es in einem entsprechenden Alter ist, kannst du vielleicht sogar ein paar andere Sachen hinzufügen. Aber womit ein Kind ganz sicher noch nicht zurecht kommen muss ist, dass Papa oder Mama nur mit dem Leben klar kommen, wenn sie ihren Kink ausleben, egal wann und egal wo. Mit so einem Verhalten nimmt man seinem Kind die Wahl, ob und wann es sich mit diesen Themen auseinander setzen will.
Mir ist schon klar, dass ich jetzt hier einen ziemlichen Cut setze und wer will, kann sich mit dem Thema auch gerne in einem eigenen Beitrag weiter auseinander setzen, aber ich möchte nun weiter gehen und komme zu einem „anderen“ Bereich. Wie ich weiter oben schon geschrieben habe, gibt es Öffentlichkeit auch in den eigenen vier Wänden und deswegen nun:
Die Öffentlichkeit des Internets
Früher hätte man sagen können, öffentlich ist alles, was nicht in den eigenen vier Wänden stattfindet. Heute ist diese Grenze praktisch nicht mehr vorhanden und wird nur noch dadurch definiert, was man der Öffentlichkeit preisgeben möchte. Ich kann in meinem Schlafzimmer mit zugezogenen Gardinen genau so öffentlich sein wie in einem Klub, auf einem Parkplatz, oder in einem Hinterhof. Wenn meine Präsenz im Internet groß genug ist, könnte man es auch ohne weiteres mit dem Stadtplatz oder Fernsehen vergleichen.
Das Internet bietet uns nun wirklich fast jede Möglichkeit, uns auszuleben. Man kann mit einem einzigen Text die Fantasien der Menschen wecken und sie dazu bringen, sich selbst Fragen zu stellen, die sie vielleicht von einer Seite zeigen könnten, von der sie selbst noch nichts wussten. Ja, Bücher etc. gab es vorher auch schon, aber nichts hat das Veröffentlichen von Schrift so vereinfacht, wie das Internet, da sind wir uns sicher alle einig. Natürlich kann man seinen Kink auch in Bild und Ton zur Schau stellen und seinen Followern so Einblicke in das eigene Dasein erlauben. Die sind dann natürlich irgendwie für alle sichtbar, aber nicht für jeden verständlich. In jedem Fall macht man sich stark für die Szene und für die Vielfalt, die darin herrscht. Vielleicht schenkt man anderen Menschen so Mut und die Kraft für das, was oder wer sie sind, einzustehen. Man verscheucht Unsicherheiten und hilft anderen, sich selbst oder andere besser zu akzeptieren. Zumindest sind das die Gründe, weswegen ich schreibe.
Aber das Internet bringt natürlich auch Schattenseiten mit sich, denn überall, wo sich Menschen ganz offen zeigen, sind auch immer Menschen da, denen diese Offenheit Angst macht, sie stört oder sogar anekelt. Diesen Leuten möchte ich an dieser Stelle etwas mitteilen, auch wenn sie es nicht lesen werden: Man muss nicht jede Vorliebe nachvollziehen können, aber man sollte sie akzeptieren als das, was sie ist: ein Ausdruck der Persönlichkeit dieses Menschen. Keiner hat das Recht, einen anderen zu beschimpfen, zu unterdrücken, oder zu bedrohen, weil ihm nicht passt, wie er/sie/es sich selbst definiert. Ich könnte jetzt noch mehr schreiben, aber ich denke, das war ein gutes Schlusswort. Danke für eure Aufmerksamkeit.