Von Herr Shibari
Ich werde langsam wach. Meine Augen gewöhnen sich nur mühsam an das schummrige Licht der Kerzen, die, wie ich erkennen kann, immer noch im ganzen Zimmer verteilt brennen. Ich muss nach unserer letzten Session eingeschlafen sein. Der Versuch, mich aufzurichten, bleibt vergebens, denn meine Hand- und Fußgelenke sind an das Bett gebunden. Mir schwant nichts Gutes, als ich an mir herunter blicke. Ich bin nackt, natürlich. Mit einem leisen, leicht gestöhnten “Großartig”, lasse ich meinen Kopf wieder auf das Kissen sinken. Aus dem Flur höre ich eine lauter werdende Stimme. “Ich wundere mich immer wieder, was für einen tiefen Schlaf Sie haben, mein Herr.” Ich schaue wieder auf. Da stehst du im Türrahmen, meine kleine Sub, und musterst mich von oben bis unten. Offensichtlich bist du sehr zufrieden mit deiner Arbeit und auch ich muss zugeben, dass die Fesseln wirklich gut gelungen sind. Ich habe keine Chance, mich aus dieser Situation zu befreien, trotzdem schmerzt das Seil nicht. Ich nicke dir anerkennend zu. “Saubere Arbeit. Was machen wir zwei Hübschen jetzt?” Du lächelst und kommst dabei näher an das Bett. “Sie machen erstmal gar nichts.” Ich könnte dieses Spiel mit einem Wort unterbinden, das weißt du ganz genau, aber ich möchte dir den Spaß nicht nehmen.Davon abgesehen: Fair ist fair. Wir spielen seit Jahren miteinander und ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich damit nicht irgendwann gerechnet hätte. Schauen wir mal, was du gelernt hast. Ich grinse dich an: “Wie. Du. Wünschst.”
Drei Schritte. Du stehst jetzt direkt neben mir und tippst mit dem Zeigefinger sacht auf meine Nasenspitze. Ich spüre sofort, dass du die künstlichen Fingernägel trägst, und ahne Schlimmes. Eine leichte Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus, als du deinen Finger an der Wange entlang und über meinen Bart streichen lässt. “Wollen wir doch mal sehen, ob sie mithalten können.” Ich sehe dir direkt in die Augen und erwidere: “Gibt wohl nur einen Weg, das herauszufinden, oder?” Der metallene Fingernagel wandert weiter, an meinem Hals entlang und anschließend über meine Brust, wo er dann stoppt. Deine Stimme klingt freundlich, fast heiter: “Da haben Sie vollkommen recht, mein Herr.” Meine Brust durchzieht ein brennender Schmerz, als du mit einem eiskalten Lächeln einmal über die komplette Brust mit den Fingernägeln fährst. Ganz offensichtlich hast du mehr als einen aufgezogen, was ich aber aus meinem Winkel nicht sehen konnte. Ich ziehe die Luft scharf durch meine zusammengebissenen Zähne und kneife die Augen zu. “Du mieses…”, entfährt es mir, als du einen Finger auf meine Lippen legst und mich zum Verstummen bringst. Dieses Lächeln wird immer gruseliger “Zu früh.” Ich schaue dich etwas überrascht an. “Wir fangen gerade erst an.” Jetzt muss ich auch lächeln, mein Kopf ruht wieder auf dem Kissen. Ich vertraue dir, so wie du mir. Was soll also schon passieren?
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