Seil fesselfertig machen

Wenn man sich in dem einen oder anderen Onlineshop so umsieht, neigt man vielleicht zu dem Gedanken: “Wieso sind Bondageseile so teuer?! Kann doch wohl nicht wahr sein, dass das bissel Handwerk soviel kostet. Wie schwer kann das schon sein?!“

Bevor ich jetzt erkläre, wie ich mein Seil fesselfertig gemacht habe, kurz die Info vorweg: Die Kosten für ein fertiges Bondageseil kommen nicht von ungefähr. Es steckt einiges an Arbeit und vor allem Zeit in jedem Meter. Jeder muss für sich selbst die Frage stellen, ob es ihm/ihr den Aufwand wert ist.

Material

Juteseil 10 Meter (6mm) 9,50 €
Babyöl 2,95 €
bzw. Bienenwachs ca. 10 €
kleiner Bunsenbrenner ca. 10 €

Das Seil habe ich aus einem örtlichen Baumarkt, dass es sich um ein Juteseil

Rohes Seil

Rohes Seil

handelt, ist reiner Zufall. Der Baumarkt hatte kein Hanfseil. Den kleinen Bunsenbrenner hatte ich bereits, den gibt es aber auch überall zu kaufen für wenig Geld, und das Babyöl ist von DM/Rossmann.

Hier nun also meine Schritt-für-Schritt-Anleitung:

Das Seil kochen

Es gibt hier zwei Möglichkeiten das Seil für den Anfang weicher zu machen und gleichzeitig etwas zu reinigen, aber egal, welche von beiden ihr wählt: Als erstes werden die Enden des zukünftigen Bondageseils mit einem festen Knoten versehen! Das kann je nach Dicke des Seils eine kleine Herausforderung werden. Wenn euch die Kraft fehlt, lasst euch von jemandem helfen oder nehmt eine Zange, um besseren Halt zu gewinnen. Ist der Knoten nicht fest genug, könnte er sich bei der zweiten Methode lösen und das gilt es zu vermeiden. Sonst könnt ihr nach diesem Schritt gleich wieder mit “Das Seil kochen” anfangen…

Im Topf
Nehmt euch einen Topf, der groß genug ist, und füllt diesen, bis das Seil komplett mit Wasser bedeckt ist, anschließend bringt ihr das Wasser zum Kochen. Das Seil sollte ca. 5-6 Stunden vor sich hin köcheln, also immer wieder Wasser nachfüllen, von Zeit zu Zeit mal umrühren. Anschließend gießt ihr das Wasser ab und geht zu Schritt zwei über, dem “Trocknen”.

In der Waschmaschine

Wer sich etwas Zeit und auch Strom/Gas sparen möchte, der wählt die Waschmaschine. Das Seil gebt ihr einfach in einen Kissenbezug und schließt diesen. Ich habe die Waschmaschine anschließend auf Kochwäsche und 95 Grad eingestellt. Die Maschine hat anschließend auch geschleudert, wem das zu unsicher ist, der lässt den Schleudergang weg und macht gleich mit dem “Trocknen” weiter.

In beiden Fällen verwendet ihr keine Seife, oder irgendeine Art von Wäschetabs etc. Das Seil soll nur gekocht werden!

Trocknen

Dieser Schritt nimmt wohl am meisten Zeit ein. Nachdem das Seil jetzt komplett nass und noch etwas steif ist, müsst ihr es trocknen. Es ist extrem wichtig, dass ihr das Seil in gespanntem Zustand trocknet. Nehmt euch also einen Stuhl, Bettpfosten, oder Tischbeine. Hauptsache stabil! Spannt das Seil komplett darum und zieht es alle paar Stunden nach. Um durch und durch zu trocknen benötigt das Seil bei einem Durchmesser von 6mm knapp 3-4 Tage. Bei einem dickeren Seil würde ich mir in jedem Fall eine Woche Zeit lassen, um ganz sicher zu gehen.

Gespanntes Seil

Gespanntes Seil

Ihr werdet feststellen, dass das Seil nach ein paar Stunden schon deutlich flexibler geworden ist. Wenn man das Seil nicht gespannt trocknet, kann es sich verdrehen oder zusammenziehen. Wer also vergesslich ist, stellt sich einen Wecker oder spannt sich das Seil irgendwo in den Weg 😉

Bevor der nächste Punkt auf unserer To-do-Liste kommt, solltet ihr das Seil auf Schmutz, zum Beispiel Fremdgewebe, prüfen. Das Baumarktseil hatte ein paar dieser Stellen, dort musste ich das Seil etwas verdrehen und den Fremdkörper entfernen.

Das Seil abflämmen

Nun ist das Seil trocken und ihr wahrscheinlich schon ein wenig genervt

Teilweise abgeflämmtes Seil

Teilweise abgeflämmtes Seil

vom ständigen Nachspannen. Jetzt wird es Zeit, diesem Juteseil zu zeigen, wer hier der Rigger ist! Abfackeln ist angesagt… Natürlich nur vorsichtig.

Beim Abflämmen ist zu beachten, dass ihr es am besten im Freien tun solltet. Es stinkt und löst ziemlich sicher den Feueralarm aus, wenn man es übertreibt. Auch diese Tätigkeit nimmt etwas Zeit in Anspruch, guckt also nebenbei eine Serie oder hört euch einen Podcast an. Wer sich nicht nach draußen verziehen kann, weil er neugierige Nachbarn oder einfach keinen Garten hat, der sucht sich einen Raum ohne Feuermelder und macht die/das Fenster auf.

Für das Abflämmen habe ich einen kleinen Bunsenbrenner verwendet, wie man ihn für Crème Brûlée nutzt. Das geht, aber gut ist anders. Wenn ihr mehr als 10 Meter zu bearbeiten habt, würde ich zu einem höherwertigen Werkzeug raten. Um ganz sicherzugehen, dass ihr alle abstehenden Fasern erwischt habt, wiederholt ihr den Vorgang einfach nochmal. Die Struktur wird wieder etwas rauer, das ist aber normal.

Seil wässern

Nachdem ihr das Seil nun gereinigt und abgeflämmt habt, muss es gewässert werden. Ihr könnt es jetzt entweder in die Maschine geben, dieses Mal aber nicht bei 95 Grad, sondern mit kaltem Wasser, oder ihr wässert es per Hand in einem Topf oder Eimer. Anschließend wieder, wie unter dem Punkt “Trocknen” schon erklärt, spannen und immer wieder nachspannen. Wem ein Knoten nicht gefällt, kann die Seilenden nun auch mit Isolierband oder einen festen Garn daran hindern, aufzudröseln. Ich habe mich allerdings dazu entschlossen, es bei den Knoten zu belassen.

Wachsen oder Ölen

Ich habe anfangs Babyöl verwendet, musste dann allerdings feststellen, dass das Seil nach der Behandlung immer noch zu steif war. Ob es hierfür ein spezielles “Seilöl” benötigt hätte, kann ich nicht beurteilen, das Ergebnis mit Bienenwachs war im Grunde sofort ein Besseres.

Wenn ihr Öl verwendet, solltet ihr ein Baumwolltuch oder ähnliches benutzen und das Öl darauf verteilen. Das Seil wird mehrfach durch das Tuch gezogen. Bei der Verwendung von Wachs solltet ihr es auf dem Seil dünn verreiben. Sollte es nicht reichen, kann man immer nochmal drüber gehen.

Ist das Seil abschließend veredelt, lasst ihr es einige Tage lose ruhen (am besten in einem dunkleren Raum). Die Fasern nehmen das Öl/Wachs nicht sofort auf.

Das Seil backen

Wenn das Wachs oder das Öl nicht von alleine in das Seil einziehen, könnt ihr es backen. Das überflüssige Wachs könnt ihr zunächst grob mit einem Tuch entfernen. Anschließend backt ihr das Seil bei 60 Grad Ober-/Unterhitze mindestens 30 Minuten.. In diesem Zeitraum sollte das Seil sowohl Öl als auch Wachs komplett aufgenommen haben.

So, das war’s dann. Das Seil ist fertig! War doch gar nicht so… Ja ok, ok. Es ist schon eine Menge arbeit, allerdings sagte ich eingangs auch, dass der Preis für fesselfertige Seile nicht von ungefähr kommt.

Perlengedanken

Ich habe den Entstehungsprozess dieses Seiles von Anfang an mitverfolgt und die Vorfreude hat mich in dieser Zeit fast von innen aufgefressen. Daher war es ein ganz besonderer Moment für mich, es endlich zum ersten Mal auf meiner Haut spüren zu dürfen. Mittlerweile bin ich sogar einen ganzen Tag damit eingeschnürt herumgelaufen. Das Seil war bei der ersten Benutzung noch recht rau und muss wohl erst noch ein wenig “eingetragen” oder nachgefettet werden. Nichtsdestotrotz war es für mich eine ganz besondere Fesselerfahrung.

Shibari bzw. Kinbaku hat für mich einen besonderen Reiz, weil das Seil die direkte Verlängerung der Hände meines Riggers ist. Und das Seil, das mein Dom eigenhändig für mich vorbereitet hat, ist quasi wirklich wie ein Teil von ihm, mit dem er mich fesseln kann.

Dieses Wissen hat die Erfahrung für mich also noch deutlich intensiver gemacht, als sie es normalerweise sowieso schon beim Fesseln ist. Es macht mich wahnsinnig stolz, seine Sub zu sein.

Insofern kann ich es jedem Rigger nur empfehlen, diesen Prozess zumindest einmal auszuprobieren. Es ist eine ganz besondere Art und Weise, auf die ihr eure Verbindung zu eurem Bunny verdeutlichen und stärken könnt.

Fazit

Ich werde mir definitiv noch mehr Seile auf diesem Weg fertigen. Sollte man einfach nur gerne mal was mit Seilen ausprobieren, ist das hier definitiv zu viel Aufwand und so schlecht sind die Preise in den Shops dann auch nicht. In jedem Fall werde ich mein Rohmaterial zukünftig im Internet bestellen, da die Qualität im Baumarkt dann doch nicht ganz dem entspricht, was ich haben möchte.

Zu sehen, wie das rohe Material Schritt für Schritt immer mehr zu meinem Seil wurde, war ein ganz besonderes Gefühl. Ich kenne jeden Zentimeter und weiß ganz genau, wie jede dunklere Stelle entstanden ist. Das Wissen um den Ursprung und wie es mit jedem Tag immer etwas feiner wurde, macht das Fesseln mit diesem Seil zu einer ganz anderen Erfahrung.

Mir hat dieses kleine Experiment sehr viel Spaß gemacht und ich hoffe, ich konnte den Einen oder Anderen dazu animieren, es selbst auch mal auszuprobieren. Bei dem Preis für das Material ist es sicher einen Versuch wert, außerdem lernt man auch einiges über das Seil, das man verwendet. Man setzt sich mehr damit auseinander und steigert die Vorfreude.